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"Mord-Geständnis"

 
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Walwing
Joe DiMaggio


Anmeldungsdatum: 19.08.2001
Beiträge: 7665
Wohnort: Hinter'm Wildschweintrog links

BeitragVerfasst am: 29.07.2003, 14:42    Titel: "Mord-Geständnis" Antworten mit Zitat

Es ist seine große Chance, seine einzige, und er hat sie generalstabsmäßig geplant. Zuerst ruft er einen Mitarbeiter des "Gelders Dagblad" an, einer Regionalzeitung. Dem Journalisten erzählt er, dass er, Otto Veenhoven, ein Buch geschrieben hat, in dem er einen Mord gesteht. Das Buch ist ein autobiografischer Thriller, er trägt den Titel "Sunny Home". Der Tote ist Veenhovens Stiefvater. Veenhoven hat ihn mit einer Axt erschlagen, im Februar des Jahres 1955. Veenhoven erzählt das freimütig, weil er sich vor der Justiz schon lange nicht mehr fürchten muss. In den Niederlanden verjährt ein Mord nach 18 Jahren.
Der Journalist beschreibt das in einem Artikel, am Folgetag zitieren die großen Tageszeitungen des Landes den Text, und alles läuft nach Plan. Redakteure von Zeitungen rufen an, von Zeitschriften, vom Radio, Fernsehen. Erst vergangene Woche war Veenhoven in einer Talkshow des belgischen Fernsehens, und wie immer ging es um die Fragen: Fühlen Sie sich schuldig? Würden Sie es wieder tun? Darf ein Mörder ein Buch über seine Tat schreiben - und so an ihr verdienen? Veenhovens Antworten: Nein. Kommt drauf an. Ja.

Veenhoven fühlt sich riesig. Er ist berühmt. Er verdient viel Geld. Zum ersten Mal in seinem Leben. 68 Jahre alt ist er heute, er war Matrose, Hilfsarbeiter, Tellerwäscher, Comic-Texter, seit 25 Jahren nennt er sich Schriftsteller.

Der Mord, der Veenhovens Leben veränderte, geschah am 8. Februar 1955, damals war Otto Veenhoven 20 Jahre alt. Er stand in einem Wohnzimmer. Vor ihm, auf einem Stuhl, saß Jan Antoon Nieuwenhuysen, sein Stiefvater, der Mann, der Veenhovens Mutter schlug, seit Jahren schon. Auch am Tag zuvor hatte er es wieder getan, hatte sie verdroschen, bis sie nackt und blutend aus dem Haus rannte. Damit sollte Schluss sein, sofort. An diesem Tag sollte Jan Antoon Nieuwenhuysen für all das bezahlen, was er seiner Frau angetan hat. Vor dem Stuhl, auf dem sein Stiefvater saß, stand ein Tisch. Unter dem Tisch lag eine Axt.

Veenhoven hatte sich alles ganz genau überlegt. In der Nacht zuvor hat er den Mord Schritt für Schritt geplant. Es sollte wie ein Unfall aussehen.

Jan Antoon Nieuwenhuysen betrat das Haus am späten Nachmittag, und er war überrascht, dass sein Stiefsohn ihn mit einem Glas Rotwein begrüßte, dass er ihm sagte, er habe das Abendessen vorbereitet. Gebratene Hähnchen, Kartoffeln und Apfelmus. So freundlich war sein Stiefsohn schon lange nicht mehr gewesen.

Nieuwenhuysen setzte sich an den gedeckten Tisch, spießte ein Hähnchen auf die Gabel, legte es auf den Teller, nahm sich Kartoffeln, Apfelmus und aß mit Genuss. Er trank Kaffee, genehmigte sich ein, zwei Genever, und nach dem Essen saß er satt und zufrieden da.

Otto Veenhoven räumte den Tisch ab, dann bot er seinem Stiefvater an, seine Haare mit Birkenhaarwasser einzureiben. Nieuwenhuysen liebte das.

So stand Veenhoven schließlich hinter seinem Stiefvater, vor sich der Stuhl, davor der Tisch, darunter die Axt. Veenhoven ließ den Verschluss der Haarwasserflasche fallen, bückte sich und hob die Axt empor. Er drehte sie so, dass das stumpfe Ende nach vorn zeigte, und das einzige Gefühl, das er in diesem Moment spürte, war Bedauern. Bedauern darüber, dass sein Stiefvater glücklich sterben sollte, nach einem vollkommenen Abend.

Dann schlug Veenhoven zu, mit aller Kraft. Der Schädel zerbrach, sein Stiefvater sackte zusammen, und die letzten Worte, die er sagte, lauteten: "Tu es nicht."

"Doch, es muss sein", antwortete Veenhoven, stemmte die Axt ein zweites Mal empor und schlug wieder zu. Und ein drittes Mal. Dann war es still. Blut klebte auf dem Stuhl, auf Veenhovens Kleidern, auf dem Fußboden. Das Zimmer sah aus wie ein Schlachthof, und Veenhoven fühlte sich frei. Das Leben sollte wieder schön werden. Seine Mutter sollte wieder lachen.

Die Axt versteckte er in einem Loch unter dem Fußboden, dann rannte er hinauf in den ersten Stock, öffnete die Balkontür, warf ein paar Blätter vom Dach, rannte hinunter in den Garten, nahm ein paar Steine, tauchte sie im Wohnzimmer in das Blut seines Stiefvaters, legte sie wieder in den Garten, nahm Sand, rannte wieder ins Wohnzimmer, streute den Sand in das Haar seines Stiefvaters, rannte noch einmal hinaus und grub mit seinen Schuhen Schleifspuren bis zur Tür. Dann rief er den Dorfarzt an, atemlos: "Mein Stiefvater ist vom Dach gefallen, ich glaube, er ist tot."

Der Arzt kam, betrachtete den zerschmetterten Schädel, die blutigen Steine. Er wusste, dass der Tote ein sehr gewalttätiger Mensch gewesen ist, er wusste, dass Nieuwenhuysen seine Frau geschlagen hat. Und er sah, dass die Verletzungen nicht durch einen Sturz entstanden sind.

"Es war ein Unfall", sagte der Arzt den Polizisten, die wenig später im Haus standen. Sie glaubten ihm.

Das ist Veenhovens Geschichte. Er erzählt sie gern und oft, denn er braucht nichts und niemanden zu fürchten. Eine Frage, die er oft hört, lautet: "Glauben Sie an Gott?"

"Nein", antwortet Veenhoven jedes Mal und lächelt.

Er kann nur gewinnen. Endlich.



Krazz oda?

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Wir haben alarmstufe orange und das
bedeutet, dass irgendwo, irgendwas,
irgendwann, irgendwie passieren könnte.
Also passt bloß auf!
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